Die Braut die sich nicht traut USA 1999

Filmkritik

Die «Pretty Woman» mit den kalten Füssen

Filmkritik: Martin Glauser

1990 führten Julia Roberts und Richard Gere mit «Pretty Woman» vor, dass Prostitution einem jungen Mädchen durchaus den Weg zum Glück ebnen kann. Jetzt erst doppelt das Erfolgspaar unter Anleitung desselben Regisseurs nach: «Runaway Bride» ist zwar nicht eine Fortsetzung von «Pretty Woman», aber eine Wiederholung derselben romantischen Liebesgeschichte um ein flapsiges Girl, das es mit den Männern reihenweise treibt.

Sie wohnt in der Provinz, ist romantisch veranlagt, verlobt sich daher recht häufig, pflegt aber vor dem Traualtar kalte Füsse zu bekommen und nimmt regelmässig in buchstäblich letzter Sekunde Reissaus. In New York erfährt ein Zeitungskolumnist von dieser bizarren Marotte, schreibt einen boshaften Artikel, wird auf ihre Beschwerde hin gefeuert, reist in die Kleinstadt, um der Geschichte auf den Grund zu gehen und zuzuschauen, wie die bevorstehende vierte Hochzeit platzen wird.

Den Rest können Sie sich denken. Garry Marshalls Film verlässt sich ganz auf seine beiden Stars, genauer auf deren gutes Aussehen. Denn bekanntlich haben Julia Roberts, die Frau mit der imposanten Oberlippe, und Richard Gere mit seinem stets wohlgefönten Grauschopf die Bandbreite prominenter Schönheit in dankenswerter Weise bereichert. Die Geschichte selber trägt nicht viel zum Amusement bei. Die notwendigen Verzögerungen des unvermeidlichen Liebesglücks werden recht lieblos abgehandelt, ja sie bleiben genau genommen immer unmotiviert. Was dem zynischen New Yorker schliesslich die Liebe der hasenfüssigen Braut verschafft, ist seine hartnäckige Frage nach dem Warum. Warum ist die Frau ihren Bräutigamen bisher immer davongelaufen? So fragt er und sagt ihr die bittere, doch heilbringende Wahrheit mitten ins Gesicht: aus Angst! - Da staunen Sie, was? Denn bestimmt haben Sie gedacht, es sei wegen ihrer teuflischen Bosheit.

Aber eben, bei einem solchen Film geht es nicht um Psychologie oder Logik, sondern um "Chemie", nämlich jene zwischen Roberts und Gere, die elektrische Ladung, die permanent von ihrer exorbitanten Oberlippe auf seine statisch aufgeladene Frisur hinüberknistern will. Ich habe sie zwar selber nicht bemerkt, aber andere haben es getan. Desgleichen Humor und Niedlichkeit: zum Beispiel - zwei Sekunden lang und ohne erkennbaren Zusammenhang zum Vor- und Nachher - eine Einstellung auf Drillinge im Kinderwagen; oder eine joggende Oma, die sich nach einem jungen Muskelmann umdreht; oder zwei Hunde, die fast gleich aussehen. Ferner ein halbes Dutzend weisse Brautkleider, hübsche Pferde, Julia Roberts als weisse Braut auf einem Pferd obendrauf davon galoppierend, einmal sogar zusammen mit Bräutigam davongaloppierend, in Zeitlupe! All diese Dinge sind zwar nicht nach jedermanns Gusto, aber sie können tatsächlich einen Kinosaal zum Kreischen bringen. Den tollsten Szenenapplaus erntete ein Brautkuss vor dem Altar, bei dem der Bräutigam ganz schön dumm aus der Wäsche schaut, weil er nämlich an diesem Kuss nicht teilnimmt. Im Corso Zürich klang es für 10 Sekunden wie bei Chippendales. Pech für den, der sich mit dem Bräutigam identifiziert. "Runaway Bride" gehört zu der Sorte von Filmen, bei denen der weibliche Anteil des Publikums die 50% wohl in keiner Vorstellung unterschreitet. Männer sprechen zwar auch auf Julia Roberts an, aber deutlich weniger auf die Filme, in denen sie mitspielt. Sie gehen trotzdem hin, weil ihre Freundinnen es wollen. Und die gehen natürlich auch nicht wegen Richard Gere, sondern weil Julia Roberts wieder so eine herrlich schrullige Kuh spielt. Denn eine bis in die Knochen konservative Frauenfigur mit einem winzigen Schuss Skurrillität und "Girl Power" (sie reagiert ihre Wut an einem Boxsack ab) ist für viele immer noch ein funktionierendes Ideal, erst recht, wenn dabei offensichtliche Langweiler wie Richard Gere und Hugh Grant (Notting Hill) als attraktive Männer präsentiert werden.

Die bildende Kunst hat ihren Rolf Knie, in der Musik ist Cher möglich, weshalb sollte es nicht auch Filme geben wie diesen? Filme, an denen viele Menschen ihre gerechte Freude haben, ganz ungeachtet des stets schlecht gelaunten Filmkritikers, der letztlich doch nur neidisch ist, weil er keine Braut mit riesiger Oberlippe, keinen grauen Haarhelm und keinen Humor hat.

09.12.2011

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

nach hugh grant geht julia roberst wieder spielen mit richard gere... weil die leuten warten darauf.. aber sie warten auch auf ein gute story... und die gab es nicht so richtig.. halbcharmante komödie der ein wenig enttauscht wenn man sich pretty woman erinnert


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