Interview

Julia Roberts: «Was ist denn das wieder für eine Frage?»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Julia Roberts über gute Reisen und schlechte Drehbücher, Eltern und Kinderlose. Und über Javier Bardem.

Julia Roberts: «Was ist denn das wieder für eine Frage?»

Julia Roberts

Welche Reise Ihres Lebens hat Sie am meisten verändert?

Gott im Himmel, was ist denn das wieder für eine Frage! Ich glaube, jede Reise verändert uns ein wenig – die guten zumindest. Ich weiss, das ist keine gute Antwort, tut mir leid. Kann mich bitte jemand etwas zu Javier Bardem fragen?

Sie sind Schauspielerin und Mutter: Wie bringen Sie die beiden Jobs unter einen Hut?

Es war für mich ein grosser Vorteil, dass ich schon früh als Schauspielerin Erfolg hatte und die Familie erst relativ spät gegründet habe. Ich war schon 18 Jahre im Geschäft, als ich Mutter wurde. Das hat mir einige Schwierigkeiten erspart. Nicht nur in den USA müssen ja viele Mütter nach sechs Wochen gleich wieder an die Arbeit. Eine Mutter sollte das nicht tun müssen.

Sind Sie eine strenge Mutter?

Ziemlich, ja. Wundert Sie das etwa? (Lacht.)

Liz Gilbert, die Bestseller-Autorin, die Sie in Eat Pray Love spielen, entscheidet sich für ein Leben ohne Kinder. Können Sie das nachvollziehen?

Viele Menschen fällen doch diese Entscheidung. Es ist schon so wie Viola im Film sagt: Ein Kind ist wie ein Tattoo im Gesicht. Man sollte sich das gut überlegen. Und weil Liz sich der Sache nicht sicher war, verzichtete sie auf Kinder. Was ich für weise halte.

Haben Sie sich je in Frage gestellt – Ihr Leben, die Karriere? Wie diese Liz Gilbert, die beruflich erfolgreich war und anscheinend eine glückliche Ehe führte.

Nein, eigentlich nicht. Ich meine, ich stelle mich immer in Frage, überprüfe meine Entscheidungen. Aber nicht in dieser Radikalität.

Sie sind aber auch mal zwei Jahre durch die Welt gereist.

Stimmt. Ich hatte Sleeping with the Enemy abgedreht, und dann kam nichts mehr bis The Pelican Brief. Ich war ganz einfach mit dem Material nicht zufrieden, das man mir schickte. Und ich war entschlossen zu warten. Auch für mich war verblüffend, dass ich schon zu einem so frühen Zeitpunkt in meiner Karriere auf etwas warten konnte, das mich wirklich befriedigte. Ich bin sehr froh, dass ich das konnte. Alan J. Pakula hatte grossen Einfluss auf mich, ich schätze die Zeit sehr, die wir zusammen verbrachten.

Bedauern Sie einige Entscheide, die Sie in Ihrer Karriere gefällt haben? Mona Lisa's Smile zum Beispiel fiel beim Publikum durch.

Ich messe einen Film an den Erfahrungen, die ich ohne ihn nicht hätte machen können. Mona Lisa's Smile war eine schöne Erfahrung für mich. Wäre der Film ein Riesenerfolg an den Kinokassen geworden, mein Gefühl wäre genau dasselbe für ihn geblieben, wie wenn er nicht einen Dollar eingespielt hätte. Weil die Erfahrung für mich dieselbe bleibt.

Wie haben Sie sich bei Eat Pray Love eingebracht?

Ich kann mich an ein Gespräch mit Regisseur Ryan Murphy erinnern. Ich sagte ihm: Liz muss mehr essen in diesem Teil, der in Rom spielt. Mir schien das Essen wichtig, es spielt ja auch in Liz Gilberts Buch eine grosse Rolle. Wir wollten den Film nicht als reine Kopie des Buches machen, aber einige Elemente waren so stark, dass ich fand, sie müssten genau so auch im Film drin sein. Die Szene am Anfang zum Beispiel – im Bad: Die ist im Buch so plastisch. Alle, die das Buch gelesen haben, erinnern sich an sie. Diese Dinge mussten einfach rein in den Film.

Haben Sie einen Rat für all die Frauen, die eines Tages sagen: Ich muss mein Leben ändern?

Ich würde zunächst sagen: Schauspieler sind die schlechtesten Ratgeber. Mein einziger Tipp wäre: So wunderbar diese Geschichte ist und so sehr ich hoffe, die Leute mögen den Film: Du musst nicht dein Haus verlassen, um dein Leben zu ändern. Das mag für Liz Gilbert gestimmt haben, aber das heisst nicht, dass es für jeden das Richtige ist. Liz sagt das ja auch. Für Liz war das Reisen war ein Teil ihres Jobs. Es stimmte für sie, aber was für uns das Richtige ist, müssen wir für uns selber rauskriegen.

Warum war das Buch eigentlich so erfolgreich? Weil wir alle diesen Wunsch haben, alles aufzugeben und einfach abzuhauen?

Vielleicht. Ich glaube, jeder würde sich gerne die Zeit zu nehmen, sich mal richtig für sich selbst zu interessieren. Aber wer hat schon die Zeit dafür?

Leute ohne Kinder.

Aber es ist ja fast wichtiger für Leute mit Kindern, sich diese Zeit zu nehmen. Man muss den Kindern ja die Liebe vorleben können, die Sorgfalt im Umgang mit sich selbst, Selbstachtung. Nur wenn ich mich mit Liebe und Respekt behandle, kann ich das auch meinen Kindern weitergeben.

Im Film fällt der Satz, Amerikaner hätten zwar Ahnung von Unterhaltung, aber sie wüssten nicht, wie man sich amüsiert.

Das ist ein Klischee – und ein lustiges dazu.

Macht Ihnen die Schauspielerei immer noch so viel Spass wie am Anfang?

Ja, sonst müsste ich aufhören. Ich will nicht langweilig werden. Aber dieser Film hat mir gezeigt, wie sehr ich die Schauspielerei noch liebe, wie viel Leidenschaft ich noch für meinen Beruf empfinde.

Was erwarten Sie von einem Regisseur?

Er muss mir vertrauen. Und mich ermutigen, neue Ideen zu finden.

Und wie war's mit Javier Bardem?

Die Leute werden weggeblasen sein, ihn in so sanft zu sehen. Ich habe ihn immer als intensiv und kräftig vor Augen, der irgendwie scheussliche Menschen spielt, obwohl er ein süsser Kerl ist. Und hier spielt er eine so sanfte Person, die keine Angst hat, ihre Gefühle zu zeigen. Was schön zu sehen ist – für Männer und Frauen.

16. September 2010

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