Interview

Frank Braun: «Bar und Kino gehören zusammen»

Stefan Gubser
Interview: Stefan Gubser

Grosses Kino in fünf kleinen Sälen – Zürich erhält mit dem Houdini ein neues Riffraff. Oder eben doch nicht? Kinobetreiber Frank Braun über tiefe Schwellen, hohe Ansprüche und Harry Potter.

Frank Braun: «Bar und Kino gehören zusammen»

Ihr erstes Kino in Zürich, das 1998 eröffnete Riffraff, heisst wie ein Film von Ken Loach ...

... das könnte sein (lacht) ...

... das neue Houdini lässt an den legendären Zauberkünstler denken, der auch mal einen Elefanten verschwinden liess. Was verraten diese Namen über die Zeiten, in die die beiden Kinos hineingeboren wurden?

Wir können das Kino zwar nicht neu erfinden, aber neu interpretieren. Das sollte sich schon in den Namen manifestieren. Dass sich die Namen mit Assoziationen, auch filmischen, verbinden können, ist nur willkommen, war aber keine Absicht. Wir gingen davon aus, dass nur ein Bruchteil des Riffraff-Publikums den Loach-Film kennt. Ein Name muss zuerst auch als Wort gut tönen, er muss für ein Kino sowie eine Bar funktionieren und darf zu Beginn durchaus auch etwas Irritierendes haben. Um dann, wenn er greift, zu einer Marke werden zu können.

Das Riffraff hat sich längst als anspruchsvolles Arthouse-Kino etabliert, in dem ein junges Publikum auch dann gut aufgehoben ist, wenn es keine Lust auf Film hat. Ist Zürich gross genug für ein zweites Riffraff?

Wir werden es nicht kopieren! Das Riffraff soll sein Profil behalten, als ein Arthouse-Kino für ein jüngeres Publikum, das auch an künstlerisch-ästhetischen Aspekten des Kinos interessiert ist. Oder an politischen, sozialen und philosophischen Fragen. Im Riffraff müssen wir aber immer wieder Filme absagen, für die wir einfach keinen Platz haben – ich denke da auch an lokalere oder regionalere Produktionen.

Sie werden im Houdini also nicht mehr Mainstream programmieren müssen?

Wenn man, wie wir im Houdini, ausschliesslich kleinere Säle hat, kann man kleinen Nischenfilmen eher eine Chance geben, als wenn man grosse Säle füllen muss. Ein positiver Aspekt der Digitalisierung ist aber, dass wir hier Filme mitspielen können, die auch in anderen Kinos laufen. Das gibt uns die Möglichkeit, von Offkino bis zum Crossover ganz verschiedene Dinge unter einen Hut zu bringen.

À propos Zauberer: Einen Harry Potter wird man im Houdini aber nie sehen können?

Ich vermute nicht. (lacht) Aber wird werden auf einer täglichen Basis neue Kinderfilme zeigen.

Jeder Besuch im Houdini beginnt an der Bar. Sie sehen sich aber schon vor allem als Kinobetreiber?

In unserem Leitbild steht, dass das Kino prioritär sei. Die Gastronomie ist eine Erweiterung des Kinos. Aber wir haben nichts dagegen, wenn sie eine eigene Dynamik entwickelt, zu einer eigenen Attraktion wird. Wir machen ja nicht nur einen Foyer-Kiosk. Aber die Inszenierung des Kinos von heute ist das Vorzeichen für einen erfolgreichen Betrieb – gerade in dem urbanen und kulturellen Umfeld, in dem wir uns positionieren.

Liesse sich das Houdini ohne gastronomischen Mantel, der hier ja noch ein bisschen grösser ausgefallen als im Riffraff, gar nicht finanzieren?

Es ist nicht so, dass die Bar das Kino quer-subventioniert. Im Riffraff machen wir 60 Prozent des Umsatzes mit dem Kinobetrieb. Das ist für uns aber gar nicht so sehr eine Frage der finanziellen Notwendigkeit, sondern vielmehr eine qualitative: Wir finden, Bar und Kino gehören zusammen.

Vor wenigen Jahren war das Kinosterben in aller Medien Munde. Heute baut in Zürich das Arena-Kino aus, der Aggloriese Pathé plant ein Kino in der Stadt, Samir eines an der Europaallee, und Sie eröffnen Ihr «Miniplex»: Ist die Kinostadt Zürich ein Schweizer Sonderfall?

Die Kinodichte ist in der ganzen Schweiz noch immer sehr hoch. Die letzte Statistik der ProCinema zeigt, dass die Anzahl Leinwände nach der grossen digitalen Umrüstung nicht wie befürchtet abnahm, wohl aber die Anzahl Kinos. Das ist aber nicht das Resultat der Digitalisierung, sondern eine Strukturanpassung, die seit den 90er Jahren im Gange ist. Schuld daran sind die Bodenpreise, die vor allem in den Innenstädten in die Höhe schnellten, und die erste Multiplex-Welle, die die Schweiz in den 90er Jahren erreichte und zu weniger Kinos mit mehr Sälen führte. Es gibt aber schon Möglichkeiten für eine Gegenbewegung – das Houdini ist ein gutes Beispiel dafür.

Muss das Kino im Zeitalter von Netflix und stubenwandgrossen Flachbildschirmen im Eigenheim immer mehr Erlebnisort sein, um nicht doch noch zum Auslaufmodell zu werden?

Das Kino muss wissen, was es vom Heimkino unterscheidet. Das ist die Verbindlichkeit, was Zeit, Titel und Ort angeht. Und man muss aus dem Haus gehen. (lacht) Aber ein Ort, an dem auch andere Leute sind, wird immer seinen Reiz haben. Wir konzentrieren uns deshalb noch stärker auf diesen Aspekt des Kinos, gerade indem wir das auch räumlich anders inszenieren.

Wie sieht das Kino in zehn Jahren aus?

Kino gibt es nur, wenn Filme entstehen. Hier muss man ansetzen, Wenn man eine Vision des Kinos haben will, muss man sich fragen: Wie sehen die Filme aus, die in zehn Jahren produziert werden? Das grösste Wachstum im audiovisuellen Bereich verzeichnet die Game-Industrie. Grundlage des Games ist die Interaktion zwischen Bild und Zuschauer – in diese Richtung wird es gehen, wenn es Innovationen gibt, die auch ins Kino hinüberschwappen.

Gleichzeitig ist das Erzählen von Geschichten ein Urbedürfnis des Menschen; das wird in der Form, die wir jetzt kennen, auch immer noch Bestand haben. Aber: Artifizielle Bilder, die nicht einfach die Realität abbilden, werden immer wichtiger. Man sieht es ja auch bereits deutlich in den Kino-Hitparaden der letzten Jahre. Die Hälfte der ersten zehn Plätze belegen immer die Animationsblockbuster. Das werden in Zukunft vermutlich die wichtigsten Elemente sein. Oder wird es womöglich doch ganz anders kommen? Wenn ich zurückdenke, ich hätte mir noch vor 20 Jahren ein Houdini nicht vorstellen können. (lacht)

Über Gokino und Cineman wird man in Ihrem Houdini Filme nach Wahl ins Programm hieven können, wenn dafür eine Mindestanzahl Tickets verkauft wird. Wie schwer tut sich Kinokurator Frank Braun mit dem Umstand, dass er nicht alleine sagen kann, was in seinem Hause läuft?

Das tut mir überhaupt nicht weh. Ich habe nicht den Anspruch, dass ich den Leuten vorschreibe, was sie sich anschauen müssen. (lacht) Ich glaube aber nicht, dass da wildfremde Leute irgendeinen Film programmieren. Das werden Leute sein, die das Houdini als Kinoort schätzen. Es wird aber auch interessant zu sehen sein, ob nur Klassiker gewünscht werden oder eben auch neue Filmperlen, die es trotz der tiefen Schwellen nicht auf dem klassischen Weg ins Houdini schaffen.

Noch ein paar Ehrenworte? Keine Synchronfassungen, nie.

Ja. Sicher!

Keine Pausen.

Ausser bei ganz langen Filmen.

Nur gute Filme.

Das ist natürlich Ansichtssache. Aber wir bemühen uns darum.

21. August 2014

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