Ein ganzes halbes Jahr Grossbritannien, USA 2016 – 110min.

Filmkritik

Lieber tot als im Rollstuhl

Gaby Tscharner
Filmkritik: Gaby Tscharner

Me Before You ist ein Film über die Liebe, das Leben als Querschnittgelähmter und die Sterbehilfe, der zu einem seltsamen Werbespot für den Schweizer Tourismus wird.

Lou (Emilia Clarke), eine super-optimistische Mitt-Zwanzigerin, lebt in einem verträumten englischen Nest am Fuss eines mittelalterlichen Schlosses. Als sie ihren Job verliert, wird sie von den Traynors, der reichen Familie, der das Schloss gehört, als Begleitung für deren Sohn Will (Sam Claflin) engagiert. Will war ein erfolgreicher Banker, mit einer heissen Verlobten, teurem Apartment und allen Privilegien eines Trustfund-Babys, als er von einem Motorrad angefahren und querschnittgelähmt wird. Will fügt sich schlecht in sein neues Schicksal, doch Lou versucht ihr Bestes, dem Zyniker sein Leben zu verschönen und seine Gedanken vom Freitod abzulenken, den er in der Schweiz geplant hat.

Me Before You, Thea Sharrocks filmische Adaption des Romans von Jojo Moyes, kann kaum als romantische Komödie bezeichnet werden. Im Stil von The Fault in Our Stars geht dieser Film mit den ernsten Themen des Lebens um. Schon früh erfahren wir, dass Will seinem Leben im Rollstuhl, voller Schmerzen und angewiesen auf die Hilfe anderer, freiwillig ein Ende setzen will. Im Laufe des Films versucht Lou alles, Wills Dasein lebenswert zu machen und ihre Bemühungen tragen auch Früchte. Doch damit eröffnet sich für Will ein neues Problem: Will er seiner Geliebten nun ein Leben lang zur Last fallen oder sich, wie von Anfang an geplant, für den Freitod in der Schweiz entscheiden?

Themen wie Freitod und Sterbehilfe sind wichtig, nur als Stolpersteine in einer romantische Komödie sind sie gänzlich fehl am Platz. Will scheint zu sagen, dass ein Leben als Behinderter nicht lebenswert ist. Er sehnt sich an sein Leben vor dem Unfall zurück und frustriert damit nicht nur Lou, sondern auch das Publikum. Denn in den wenigen Szenen, die Will vor dem Unfall zeigen, erscheint er eher als grosskotziger Geldprotz als als Prince Charming.

Die legale, begleitete Sterbehilfe, wie sie in der Schweiz von Organisationen wie EXIT oder Dignitas angeboten wird, ist nicht ganz so einfach zu arrangieren, wie im Film dargestellt. EXIT begleitet nur Menschen mit Schweizer Bürgerrecht oder festem Wohnsitz und die Voraussetzung bei Dignitas ist, dass der Patient selber die tödliche Dosis Medizin einnehmen kann. In beiden Fällen würde sich der britische Tetraplegiker Will Treynor also nicht qualifizieren.

Me Before You ist ein nobler Versuch, sich von den gängigen romantischen Komödien abzugrenzen. Der Film hat sich aber eine zu dicke Scheibe eines ernsten Themas abgeschnitten, um die Zuschauer mit einem wohligen Gefühl aus dem Kino zu entlassen.

15.06.2016

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Die gefühlt hundertste Verfilmung über eine Krankenpflegerin, hier Louisa (Emilia Clark), die sich in den gelähmten, wohlhabenden Rollstuhl-Patienten Will Traynor (Sam Claflin) verliebt. Über die spannungsfreie, weil vorhersehbare Handlung kann lange Zeit die entwaffnende Fröhlichkeit Louisas hinwegtäuschen. Sie ist frisch, natürlich und in Geldnöten. Ein kurzer Blick wird auf Louisas Herkunft geworfen. Ein Klassenunterschied! Vater Bernard (Brendan-DowntownAbbey-Coyle) ist ebenso warmherzig wie Mutter Josie (Samantha Spiro) und Schwester Katrina (Jenna Coleman). Die Familie kommt gerade so über die Runden. Alle sind hocherfreut, als Louisa eine Stellung bei den Traynors bekommt. Wills Eltern Steven (Charles Dance) und Camilla (Janet McTeer) sind voller Verständnis für den totkranken Sohn und begleiten ihn, wie er es selbst bestimmt hat, in den Suizid. (vgl. Originaltitel!)
Doch ganz ohne Emotionen gelingt die Tragödie der Newcomerin Thea Sharrock denn doch nicht, obwohl es ein Abschied ohne Dramatik ist. Und das ist auch gut so. Im Epilog hat Will vor seinem Ableben Louisa noch einen Brief geschrieben, in dem sie erfährt, dass sie nun wohlhabend ist und außerdem ihr Leben genießen soll. Rollstuhl und Lähmung können dank Louisa auch herzerwärmende Seiten haben.Mehr anzeigen


dulik

vor 3 Jahren

Die Handlung von "Ein ganzes halbes Jahr" erinnert zunächst ein bisschen an "Ziemlich beste Freunde", entwickelt sich dann aber in eine andere, sehr interessante Richtung. Je länger der Film dauert, umso berührender und ergreifender wird dieser. Dazu trägt vor allem auch Emilia Clarke mit ihrer liebevollen Art einen grossen Teil bei. Hier sollte man sich ja nicht von der Cineman-Filmkritik blenden lassen, denn diese fiel nur deshalb so schlecht aus, weil die Kritikerin eine andere Meinung zum Thema Exit hat.
8.5/10Mehr anzeigen


martina_portmann

vor 5 Jahren

Liebe Kritiker
was mich stört , sie schreiben Will währe kein Kandidat für Dignitas oder Exit. was Exit betrifft haben sie recht. aber dass Dignitas ihn ablehnen würde ist falsch. ja Patient muss dass Medikament selber einnehmen, aber es reicht aus wenn er es mit einem Strohhalm trinken kann oder ein Knopf auslösen womit das Medikament durch die Infusion geht. Da Will leichte beweglichkeit in den Fingern hat, währe er also sehr wohl ein Kandidat für Dignitas. Bitte erkundigt euch besser über Beihilfe zun Suizid in der Schweiz.Mehr anzeigen


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