Where to Invade Next USA 2015 – 120min.

Filmkritik

Europas Ideen à la carte

Filmkritik: Eduard Ulrich

Michael Moore spinnt die aus $icko bekannte Idee weiter und generalisiert sie obendrein. Verglich er damals das Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten mit demjenigen anderer Länder, so nimmt er sich nun mehrere wichtige Aspekte eines Staatswesens vor und dehnt auch die Liste der Vergleichsländer aus. Seine Konzentration auf Europa als Referenz mindert zusammen mit seiner bekannten Oberflächlichkeit den Erkenntniswert fürs europäische Publikum zwar beträchtlich, aber man fühlt sich ob der propagierten Überlegenheit gebauchpinselt und wird auch nicht schlecht unterhalten.

Was läuft schief im besten Land der Welt? Michael Moore scheint nicht nur von der Suche nach Systemfehlern besessen zu sein, er will sie auch beseitigen. Dazu braucht er Vorbilder. Die findet er vor allem in Europa. War er schon in $icko von den Vorzügen des Gesundheitssystems einiger europäischer Länder beeindruckt, knöpft er sich in seiner jüngsten Doku-Farce wichtige Aspekte des gesamten Staatswesens vor wie Studiengebühren, Urlaubslänge, Drogenpolitik, Vergangenheitsbewältigung, Schulsystem und Gefängnisse. Jeweils ein Thema pro Land - Achtung, Klischee! -, immer in Bezug auf seine Heimat. Moore ist ein großer Inszenator, ein mittelguter Regisseur und ein miserabler Schauspieler. War in seinen früheren Filmen der rein dokumentarische Anteil noch relativ hoch, so nehmen nun die ganz offen organisierten Szenen breiten Raum ein - und meist spielt Moore darin die Hauptrolle. Seine witzige Idee, als Ein-Mann-Armee die besten politischen Ideen aus den jeweils "besetzten" Ländern zu "entführen", läuft sich bald einmal tot, das Stereotyp der Flaggeninstallation und die penetrante Frage, woher eine Idee denn ursprünglich stamme, nerven auf Dauer schon etwas. Aber spätestens nach ungefähr zwei Dritteln der nicht ganz geringen Zeit hat er uns im Sack, denn neben dem inszenatorischen Klamauk gelingen ihm doch einige bemerkenswerte Momente. Dies ist umso erstaunlicher, als sein Werk ganz klar an ein Publikum aus Übersee gerichtet ist. Wir Europäer fühlen uns oft einfach nur im Wert unserer Sozialleistungen und unserer arbeitsrechtlichen Errungenschaften bestätigt, wobei auf einigen Gebieten sogar die Schweiz noch Defizite aufweist. Kritische Fragen oder Probleme unserer hochkomplexen Systeme werden leider nicht einmal angeschnitten. Damit bleibt der Erkenntnisgewinn relativ gering, der Unterhaltungswert kann sich dagegen sehen lassen, was ein eher untypisches Fazit für einen - zugegeben: nicht ganz ernst gemeinten - Dokumentarfilm sein dürfte.

14.03.2016

3

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