CH.FILM

Welcome to Iceland Schweiz 2014 – 96min.

Filmkritik

Wanderfrust

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Wenn das Niemandsland zu einer einzigen grossen Bühne wird: Felix Tissis Welcome to Iceland ist eine menschelnde Odyssee durch das schroff-schöne Island.

Island sehen ... und sterben? Gregor (Dominique Jann) hält sich die Pistole an die Schläfe. Sein altes Radio plärrt. Gregor ringt mich sich. Währenddessen: Das junge Berliner Pärchen Alicia (Maryam Zaree) und Leo (Nicola Mastroberardino) irrlichtert durch die dunkelsandige Einöde. Wo geht es bitteschön zur Zivilisation? Kurz zuvor war alles noch Fun gewesen, als das Auto noch funktionierte, und das Handy, und die Beziehung.

Alicia und Leo stossen kurze Zeit später auf eine Familie – und auf den lebenden Gregor. Klaus (Marcus Signer) und seine Frau Julia (Julia Brendler) haben sich mit ihren beiden Kindern angeschickt, Island zu durchwandern. Man hat teures Outdoor-Equipment dabei, genug Essen sowie zwei falsche Hamster. Beide werden den Trip nicht überleben.

Die Verlorenen laufen mit den Trekkern mit. Es entsteht Reibung, aber man verbündet sich auch untereinander. Bald ist die Gruppe nicht mehr vollzählig: Alicia ist nach einem Streit mit Leo weggelaufen. Als die Wut verebbt, ist sie allein auf weiter Flur. Ob sie die CDs finden wird, die ihr liebeskranker Freund als Fährte in den Sand steckt?

Island. Wer sich auf dieser Insel schon mal in der Landschaft verloren hat, der weiss: Man kommt sich hier ganz nahe. Das routinebehaftete Leben bleibt auf einem anderen Planeten zurückgelassen, der Blick gegen Innen schärft sich. Willkommen in Felix Tissis siebtem Kinofilm, neun Jahre nach seinem letzten, dem dokumentarischen Essay Desert – Who is the Man?. In diesem wie in Welcome to Iceland ist die Einöde, so schön und friedvoll ruhend, aber auch so bedrohlich in ihrer Weite und Schroffheit wirkend, ein zusätzlicher Protagonist.

Mehr noch, es ist eine Bühne. Tissi hat ein Outdoor-Theaterstück inszeniert. Die Sätze bleiben distanziert vom alltäglichen Sprachton. Das überhöht das Geschehen und steigert die Eigenwilligkeit, für die der Schweizer Regisseur wie auch die Insel nahe des Polarkreises bekannt sind. Humor und Tragik wiegeln sich ab: Hinter den belustigenden Klischeebildern dieser Bilderbuchfamilie sind Dissonanzen zu vernehmen, während der von Jann trefflich verkörperte Zyniker ein schon lachhaft absurdes Weltbild vor sich her schleppt. Da scheint das Berliner Rocker-Couple in ihrer Oberflächlichkeit noch die kleinste Macke von allen zu haben.

Wandern ist also angesagt, wobei dem Filmverlauf da und dort die Puste ausgeht und er zuweilen leicht erschöpft dahinschlurft. Immerhin: Es bleibt genügend Zeit, die Landschaft zu begutachten, bis sich dann doch wieder etwas tut, was die Story weiterbringt. Und wenn der Betrachter dabei auf sich selbst zurückgeworfen wird, dann ist das gewiss auch im Sinne des Filmes.

10.04.2024

3

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